Allgemeines
Leitzinsen sind von einer Zentralbank festgelegte Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken refinanzieren können. Sie können sich bei der Zentralbank Liquidität beschaffen oder überschüssige Reserven dort anlegen. Da Leitzinsen weitgehend die Zinsverhältnisse am Geldmarkt sowie die allgemeine Zinsentwicklung im Kreditgeschäft mit Nichtbanken beeinflussen, stellen sie ein zentrales Instrument der Geldpolitik dar.
Eine Anhebung der Leitzinsen bewirkt tendenziell auch eine Anhebung des Zinsniveaus und führt dazu, dass die Kreditnachfrage der Wirtschaft gedämpft wird, wodurch die Zentralbank einem inflationären Anstieg des Preisniveaus gegensteuern kann (restriktive Geldpolitik).
Unter der Voraussetzung, dass das Ziel der Preisstabilität nicht gefährdet ist, kann die Zentralbank ihren Entscheidungsspielraum ausnutzen, um ihre Leitzinsen zu senken. Wenn infolgedessen die Zinsen auf dem Kapitalmarkt sinken, kann dies zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und des Wirtschaftswachstums führen (expansive Geldpolitik).
Leitzinsen sind also ein geld- und währungspolitisches Steuerungsmittel und beeinflussen Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenquote. Des Weiteren erfüllen sie eine Orientierungsfunktion in der Wirtschaft und der Öffentlichkeit.
Leitzinsen der EZB
Seit dem 1. Januar 1999 bestimmt die Europäische Zentralbank (EZB) über den EZB-Rat drei Leitzinssätze für die Länder der Eurozone. Er entscheidet über den Zeitpunkt und das Ausmaß sowie die Erhöhung bzw. Senkung der Leitzinsen. Die Leitzinssätze gelten für die folgenden Bereiche:
- Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft
(main refinancing operation, MRO) - Zinssatz der Spitzenfinanzierungsfazilität (facility)
- Einlagesatz für die Einlagefazilität
Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft
Dieser Zinssatz gibt an, zu welchem Zinssatz Geschäftsbanken Zentralbankgeld in einem wöchentlichen Tenderverfahren erhalten. Das Geld wird einmal pro Woche (die Termine werden mindestens drei Monate im Voraus durch den unverbindlichen Tenderkalender bekanntgegeben) den Geschäftsbanken für die Laufzeit von einer Woche angeboten.
Da die EZB mit diesem Instrument indirekt die Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt beeinflusst, steuert sie somit ebenfalls die Refinanzierungskosten der Geschäftsbanken.
Hierbei tauschen Geschäftsbanken notenbankfähige Sicherheiten (Wertpapiere) zeitlich begrenzt in Zentralbankgeld um. Die EZB stellt hierbei rund drei Viertel der benötigten Geldbasis zur Verfügung. Über dieses Instrument durchgeführte Geschäfte (Offenmarktgeschäfte) bezeichnet die EZB als Haupttender. Der zugrundeliegende Zinssatz, der Hauptrefinanzierungssatz, ist der wichtigste Leitzins der EZB.
Zinssatz der Spitzenfinanzierungsfazilität (Facility)
Mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Geldpolitik auf die EZB hat die Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF) den früheren Lombardkredit im Januar 1999 abgelöst. Sie bietet Geschäftsbanken im Euroraum die Möglichkeit, unbegrenzt und kurzfristig über Nacht Geld bei der EZB zu erhalten, daher auch als Übernachtkredit oder Overnight Money bezeichnet. Voraussetzung hierfür ist die Hinterlegung notenbankfähiger Sicherheiten.
Als Preis für die Inanspruchnahme der SRF zahlen Banken den von der EZB vorgegebenen Spitzenrefinanzierungssatz; er stellt faktisch die obere Zinsgrenze für das Tagesgeld dar. Die SRF ist somit ein wichtiges geldpolitisches Instrument der EZB.
Einlagesatz für die Einlagefazilität
Zu diesem Zinssatz können Geschäftsbanken im Euroraum bzw. bei der EZB kurzfristig nicht benötigtes oder überschüssiges Zentralbankgeld bis zum nächsten Geschäftstag im Euroraum bzw. bei der EZB zum vorgegebenen Einlagesatz anlegen. Es handelt sich um ein von der EZB gewährtes Wahlrecht zur Geldanlage und stellt ebenfalls ein wichtiges geldpolitisches Instrument der EZB dar. Die Einführung der Einlagefazilität durch die EZB hat 1999 die Funktion der Diskontpolitik der Deutschen Bundesbank ersetzt.
Aufgrund der kurzen Fristigkeit dieser Geschäfte bezeichnet man auch diese Form der Finanzierung als Übernachtanlage oder Overnight Money.
Spitzenfinanzierungsfazilitäten wie Einlagefazilitäten werden dauerhaft und in unbegrenztem Volumen angeboten, weshalb sie auch als ständige Fazilitäten bezeichnet werden.