Exportfinanzierung: Das Einfache ist richtig
Von Gabriele Romeike-Fänger
Der Abschluss von Exportverträgen stellt Unternehmen häufig vor die Frage, welche Auswirkungen die Finanzierungskomponente auf die Bilanz und die eigene Liquidität hat.
Der Abnehmer möchte Zahlungsziele eingeräumt bekommen? Gut, das kann Ihr Kunde in vielen Fällen haben. Der Abnehmer möchte Unterstützung bei der Finanzierung der gekauften Anlagen oder Maschinen? Auch das ist in aller Regel kein Problem. Grundsätzlich gilt: Finanzierungen des Exports sind leichter darstellbar, als mancher Finanzchef vermutet. In den meisten Fällen ist der Einsatz eigener Bilanz- und Liquiditätsressourcen sogar unnötig. Da es im digitalen Markt hervorragende Lösungen gibt, gelten die folgenden Regeln für eine optimale Absatzfinanzierung:
1. Factoring:
Zahlungsziele insbesondere dann gewähren, wenn die Forderungen in einfachen, kostengünstigen Verfahren systematisch und im Dauermodus verkauft werden können. Das ist immer dann der Fall, wenn die Forderungen frei von Einreden und frei von Rechten Dritter sind und die Abnehmer aus OECD-Ländern kommen.
2. Equipment Finance International:
Im Maschinen- und Anlagenbau sind die Forderungen bis auf die Forderung aus Schlusszahlungen nicht frei von Einrederechten. Daher wird der Abnehmer von Maschinen vor Ort in seinem Land dabei unterstützt, seine Finanzierung pünktlich eigenständig zur Verfügung stellen zu können.
Anwendung Regel 1:
Für die Finanzierung von Waren gilt inzwischen die einfache Faustregel: Rechnungen nach deutschem Recht plus Warenkreditversicherungslimit auf den Abnehmer in einem OECD-Land plus Laufzeiten von maximal 90 Tagen = factorable Standardforderungen = sofortige Bilanzentlastung aus dem Verkauf des Offene-Posten-Bestandes (Factoring) = Ratingverbesserung des Exporteurs bei gleichzeitiger Unternehmenswertsteigerung.
Geeignete Länder für die Finanzierungsangebote Equipment-Finance und Factoring
Im Zuge der Digitalisierung der Finanzierungswelt haben sich für das Produkt Factoring-Standards entwickelt, die einfach anzuwenden sind. Die verschiedenen Anbieter unterscheiden sich im Wesentlichen aufgrund ihrer jeweiligen IT-Ausstattung und damit korrelierend nach dem Auszahlungsvolumen im Verhältnis zum angekauften Forderungsbestand. Die Bonität des Forderungsverkäufers tritt im Vergleich zur bankenüblichen Beurteilung in den Hintergrund. Die Preise für das Produkt liegen heute deutlich unterhalb der Konditionen für Bankkredite. Eine professionelle Ausschreibung ist Voraussetzung für eine passgenaue, preisgerechte Lösung.
Anwendung Regel 2:
Für Exporteure, die Maschinen und Anlagen verkaufen, muss dem Abnehmer die Finanzierung vor Ort in seinem Land an die Hand gegeben werden. Vorteil: Die Objektklasse des Produkts steht im Vordergrund und erst an zweiter Stelle die Bonität des Abnehmers. Beide Bewertungen (Abnehmerbonität und Objektbeurteilung) finden im Land des Abnehmers statt, was oft äußerst hilfreich ist, weil die Risikoportfoliosteuerungen der Institute im Abnehmerland oft kleinteilig organisiert sind und Klumpenrisiken – anders als in Deutschland – seltener festgestellt werden müssen. Für Maschinen und Anlagen sind Spezialinstitute in Europa, den BRIC-Staaten und den USA in hoher Zahl vorhanden und heißen in aller Regel „Leasinggesellschaft“.
Sie sind die geborenen Finanziers von Equipment, weil sie es gewohnt sind, ins Eigentum zu übernehmen, und daher gezwungen sind, jedes Produkt IT-technisch erfassen zu können. Im Vergleich zu Banken dürfen sie daher Vorrechte in Bezug auf die Auszahlungsbeträge genießen. Sie treten in die Bestellung ein und verpflichten sich durch den Bestelleintritt zur Zahlung gemäß Angebot des Exporteurs. Und: Längst verfügen viele Institute über Banklizenzen, werden jedoch weniger reguliert als Banken. Diese Institute dürfen klassische Darlehen geben und zahlen anders als Banken dennoch 100% der Nettoanschaffungskosten aus.
Für beide Lösungen folgt die Beratung immer dem Ziel, möglichst keine eigene Liquidität und/oder anderweitige Bilanzbelastungen aus der Absatzfinanzierung akzeptieren zu müssen. Alle Lösungen gelten selbstverständlich auch für das Abnehmerland Deutschland.
Die richtige Auswahl treffen
Seit der Finanzkrise haben sich einige Leasinggesellschaften in ihre Heimatmärkte zurückgezogen oder zumindest den Auftritt in der Welt eingeschränkt. Automatisch sah man sich als Exporteur einem Flickenteppich gegenüber, der die Anzahl der Kooperationen mit Finanzierungsinstituten anwachsen ließ. Es bedarf somit eines Mittlers, der die Kontakte in den Abnehmerländern pflegt, die Finanzierungspartner in ihren Eigenheiten kennt und sie vor Ort passgenau für die Abnehmer auswählt.
Viele Gründe sprechen dagegen, sich als Exporteur direkt an Leasinggesellschaften zu binden. Zum Beispiel gehören die Bonitätsunterlagen und auch die Verhandlungen über die Finanzierung vor Ort nicht auf den Tisch des Exporteurs. Zu leicht würde er für Rückhaftungsverpflichtungen greifbar sein. Auch ist es nicht im Interesse des Herstellers, den regionalen Vertrieb der Leasinggesellschaften an den Tisch des Abnehmers einzuladen.
Die digitale Welt macht es überflüssig, die knappe Zeit beim Kunden vor Ort mit anderen Vertriebsinteressen zu teilen. Auch wird Vertrauen nicht durch Kontrolle gefasst, sondern durch Service und Unterstützung für eine gute Lösung, die im Auftrag des Exporteurs durch einen unabhängigen Dritten als Makler und Berater zur Verfügung gestellt wird. Selbstverständlich ist dieser den Interessen seines Auftraggebers verpflichtet. Diese sind: dauerhafte, enge Bindung zwischen Lieferant und Abnehmer und die Vermeidung jedweder Bilanzbelastung aus der Exportfinanzierung.
Veröffentlicht im Jahrbuch 2020 Aussenwirtschaft