Banken und Versicherungen sind gefragt, Bilanzbelastung und Risiken zu übernehmen – soweit die Regulatorik und die jeweiligen Risikoportfoliostrategien der Institute dies zulassen. BaFin-Regelungen und Portfoliosteuerungssysteme nebst Transaktionskostenüberlegungen liefern viele Gründe, jede Finanzierungsanfrage der Hersteller in den angefragten Banken und Versicherungen von der Besteller- als auch von der Lieferantenseite ausführlich zu besprechen, abzuwägen und häufig abzusagen. Möglicherweise ist es ein systemimmanentes Dilemma, den Export deutscher Unternehmen auch von der Finanzmittelseite aus Deutschland heraus begleiten und finanzieren zu wollen. Was lange als richtig und gut galt, scheint einer neuen Beurteilung unterzogen werden zu müssen – auch und gerade im Breitengeschäft mit Transaktionsvolumen bis zu 5 Mio EUR Gegenwert. Gute Ware zu liefern und dann auf der Finanzierungsseite floppen zu müssen, erzeugt weder Kundenbindung noch Renommee. Eine gute Aufstellung in der Absatzfinanzierung gehört seit der Finanzkrise zur Qualität des Produktes selbst.
Für die Finanzierung von Waren gilt seit mehreren Jahren die einfache Faustregel: Rechnungen nach deutschem Recht plus Warenkreditversicherungslimit auf den Abnehmer in einem OECD-Land plus Laufzeiten von maximal 90 Tagen = factorable Standardforderungen = sofortige Bilanzentlastung aus dem Verkauf des offenen Posten-Bestandes (Factoring) = Ratingsstärkung des Exporteurs und Unternehmenswertsteigerung. Im Zuge der Digitalisierung der Finanzierungswelt haben sich für das Produkt Factoring Standards entwickelt, die einfach anzuwenden sind. Die verschiedenen Anbieter unterscheiden sich im Wesentlichen aufgrund ihrer jeweiligen IT-Ausstattung und damit korrelierend nach dem Auszahlungsvolumen im Verhältnis zum angekauften Forderungsbestand. Die Bonität des Forderungsverkäufers tritt im Vergleich zur bankenüblichen Beurteilung in den Hintergrund.
Für Abnehmer, die ein Produkt erwerben wollen, das erst nach einer Abnahme vor Ort im Abnehmerland in Rechnung gestellt werden kann (von Anzahlungen abgesehen), ist Kundenbindung leicht zu erreichen, wenn dem Abnehmer die Finanzierung vor Ort in seinem Land an die Hand gegeben wird. Hier steht die Klasse des Produktes im Vordergrund und erst zum Zweiten die Bonität des Abnehmers. Beide Bewertungen finden im Land des Abnehmers statt, was oft äußerst hilfreich ist, weil die Risikoportfoliosteuerungen der Institute im Abnehmerland oft kleinteilig organisiert sind und Klumpenrisiken seltener festgestellt werden müssen. Sollte es sich um Maschinen und Anlagen handeln, sind Spezialinstitute in Europa, USA und BRIC in hoher Zahl vorhanden und heißen in aller Regel Leasinggesellschaft. Sie sind die geborenen Finanziers von Equipment, weil sie es gewohnt sind, ins Eigentum zu übernehmen und daher gezwungen sind, IT-technisch jedes Produkt erfassen zu können. Dieser Vorteil wird von den Aufsichtsbehörden äußerst positiv gewürdigt und ermöglicht daher die Finanzierung von 100% der Nettoanschaffungskosten, sogar wenn der Abnehmer nicht über eine gute Bonität verfügt.
Dies vorausgeschickt stellt sich die Frage der Organisation der Unterstützung und der Beratung der Abnehmer – immer mit dem Ziel, möglichst keine eigene Liquidität und/oder anderweitige Bilanzbelastungen aus der Absatzfinanzierung akzeptieren zu müssen. Für Hersteller und Händler von Maschinen und Anlagen ist es seit Jahrzehnten üblich, sich ein Netzwerk von Leasinggesellschaften zu schaffen, das weltweit trägt. Dazu sind bei einigen Herstellern erhebliche Ressourcen in den Abnehmerländern zur Begleitung der Abnehmer und deren Finanzierungsprozessen eingerichtet worden. In einem namhaften Fall werden bis zu 60 Vollzeitmitarbeiter weltweit für diesen Zweck beschäftigt. Allerdings sind die Maschinen nicht beliebt, weil in der Wiederverkaufsfähigkeit eingeschränkt und die Abnehmerbonitäten sind branchenspezifisch weltweit eher schwach. Jeder andere Hersteller von hochtechnisierten Maschinen geht bisher andere Wege, die deutlich kostensparender sind. Solche Hersteller bilden Kooperationen mit Leasinggesellschaften aus Deutschland, Frankreich oder Österreich, die bisher über einen weiten Länderauftritt verfügten. Seit der Finanzkrise haben sich einige Institute allerdings auf die Heimatmärkte zurückgezogen oder zumindest den Auftritt in der Welt eingeschränkt. Automatisch sah man sich als Hersteller einem Flickenteppich gegenüber, der die Anzahl der Kooperationen mit Leasinggesellschaften anwachsen ließ.
Viele Gründe sprechen dagegen, sich als Exporteur eng an Leasinggesellschaften zu binden. Gründe, die allein aus der Sicht des Abnehmers bestehen, sind z. B., sich mit dem Exporteur oder mit dem vom Exporteur beauftragten Dienstleister abstimmen zu können, welche Leasinggesellschaft angefragt werden sollte bzw. welche zu meiden wäre. Die Bonitätsunterlagen und auch die Verhandlungen über die Finanzierung vor Ort gehören zur besseren Kundenbindung nicht auf den Tisch des Exporteurs. Vertrauen wird nicht durch Kontrolle gefasst, sondern durch Service und Unterstützung für eine gute Lösung, die im Auftrag des Exporteurs durch einen unabhängigen Dritten als Makler und Berater zur Verfügung gestellt wird. Selbstverständlich ist dieser den Interessen seines Auftraggebers verpflichtet. Diese sind: dauerhafte, enge Bindung zwischen Lieferant und Abnehmer und die Vermeidung jedweder Bilanzbelastung aus der Exportfinanzierung. ◼
Veröffentlicht im Jahrbuch Außenwirtschaft 2018