




Digitale Transformation im Kreditgeschäft
Von Gabriele Romeike-Fänger
Factoring als Finanzierungsalternative wird immer beliebter. Über analoge und digitale Trends – und welche Auswirkungen sie auf Unternehmen und ihre Banken haben.
Im Zuge der Digitalisierung werden Prozesse vollkommen neu gedacht. Das verändert Marktpositionen. Bezogen auf die Unternehmensfinanzierung erlaubt die Digitalisierung Unternehmen beispielsweise einen neuen Umgang mit Banken sowie die Einholung von Finanzmitteln in Ausschreibungsverfahren. Dabei handelt es sich gewissermaßen um einen Paradigmenwechsel, im Zuge dessen ein Unternehmer vom Nachfrager nach Finanzierungen zum Anbieter von Assets werden kann. Die parallele Erfassung und Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen in den IT-Systemen der Finanzdienstleistungsunternehmen ermöglicht den Unternehmen dauerhaft mehr Liquidität zur Verfügung zu haben, als bisher von den Banken bereitgestellt wurde. Auf den Punkt gebracht heißt das: Die onlinebasierte Kreditvermittlung befindet sich auf dem Vormarsch.
Gesetzgeber stellte früh die Weichen
Man könnte nun so weit gehen und behaupten, dass es den Banken (bislang) nicht gelungen ist, sich den Entwicklungen mit offensiven Erweiterungen ihrer IT-Systeme entgegenzustellen. Nur diejenigen Institute, die selbst oder im Gruppenverbund über IT-Systeme verfügen, die Assets wie Forderungen oder Maschinen und Anlagen im Sinne eines Eigentümers verbuchen können, partizipieren an den digitalisierten Finanzierungsformen. Das bedeutet in letzter Konsequenz: Nur diese Institute werden den unmittelbaren Zugang zu ihren Kunden erhalten können, alle anderen sind Getriebene unterschiedlicher Trends, so beispielsweise vom enormen Wachstum der Factoringbranche, das die Abkehr von der klassischen Bankenfinanzierung verstärkt.
Auslöser dieses Wachstums war vor gut 20 Jahren eine Änderung von § 354a HGB, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Factoring erweiterte. Die Ausnahmeregelung von § 354a HGB regelt, dass eine Abtretung wirksam ist, auch wenn ein vertragliches Abtretungsverbot vorliegt. Hinzu kommt, dass in der Finanzmarktkrise 2007 seitens des Gesetzgebers deutlich wurde, dass Factoringunternehmen nur dann in den Anwendungsbereich der für Kreditinstitute geltenden Gewerbesteuererleichterung einbezogen werden könnten, wenn auch Factoring der Finanzaufsicht unterstünde. Seit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 gelten für Finanzdienstleistungsinstitute die ansonsten nur für Kreditinstitute geltenden gewerbesteuerlichen Erleichterungen.

Früher war die Hausbank der erste Ansprechpartner für mittelständische Unternehmen.
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Früher war die Hausbank der erste Ansprechpartner für mittelständische Unternehmen.[/caption]Die Einbeziehung von Factoring in das Aufsichtsgefüge von BaFin und Deutscher Bundesbank wurde vom Gesetzgeber letztlich auch damit begründet, dass Factoring eine Form der Finanzierung sei, die neben dem klassischen Kreditgeschäft der Banken erheblich an Bedeutung gewonnen habe und inzwischen eine zentrale Funktion bei der Finanzierung der deutschen Industrie und insbesondere bei der Finanzierung des Mittelstands einnehme. Daher würden Funktionsstörungen als Folge einer unsoliden Geschäftsführung schwere Schäden nicht nur im Kundenkreis der betreffenden Unternehmen, sondern auch in weiteren Teilen der Wirtschaft verursachen, wie der Gesetzgeber argumentiert.
Neben der Erlaubnispflicht als besonders markanter Änderung durch das Jahressteuergesetz 2009 hat der Gesetzgeber durch die Einführung einer Aufsicht für Factoringunternehmen auch Öffnungsklauseln für eine factoringspezifische Anwendung der „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk) erlassen, die sogar eine Factoringunternehmenspezifische Anwendung erlaubt. Zusammengefasst werden grundsätzlich Finanzdienstleistungsinstitute (dazu gehören neben den Factoringunternehmen auch die Leasinggesellschaften) mit deutlich weniger Auflagen versehen, als sie den Kreditinstituten auferlegt werden. Dies erklärt nicht nur den steilen Anstieg der Geschäftsentwicklung dieser Institute, sondern auch die Effekte, die durch die Digitalisierung der Prozesse und Anwendungen möglich werden.

Digitale Alternativen verändern die Finanzierungssituation
für Unternehmen – und Banken.
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Neue Finanzierungsstrukturen entstehen
Genau genommen war es also der Gesetzgeber, der in den Finanz- und Wirtschaftskrisen Anfang der 1990er Jahre und ab 2007 die Weichen für neue Finanzmittelquellen für Mittelstand und Großunternehmen gestellt hat. Diese Gesetzesänderungen greifen nun im Zuge der Digitalisierung und führen hierzulande zu erheblichen Umwälzungen in den Finanzierungsstrukturen des industriellen Mittelstands. Bislang war es für mittelständische Unternehmen selbstverständlich, Maschinen und Anlagen in Raumsicherungsübereignungsverträgen an eine Bank zu übergeben oder die Rechte und Ansprüche aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Rahmen einer Globalzession abzugeben. Heute stellen sie sich die Frage nach dem Gegenwert der übertragenen Assets in Form von dauerhaft zur Verfügung stehender Liquidität. Die oben beschriebenen gesetzlichen Veränderungen ermöglichen den Unternehmen Vorteile, die eine Bank mit ihren Kreditdienstleistungen nicht mehr auffangen kann.
Unternehmen, die Liquidität nachfragen, bieten ihre bilanziellen Assetklassen, also Immobilien, Warenlager, Maschinen und Anlagen, Forderungen oder Schutzrechte, zur Finanzierung denjenigen Instituten an, die von den Aufsichtsbehörden dazu berechtigt wurden und auf Basis vorhandener IT dazu in der Lage sind, Auszahlungen bis zu 100 Prozent der Anschaffungs- oder Beleihungswerte zu finanzieren. Die Banken scheiden hier also letztlich mangels moderner IT-Systeme aus dem Kreis der Anbieter aus – es sei denn, sie haben leistungsfähige Tochtergesellschaften. Ausnahmen bleiben hier bislang nur die Immobilienfinanzierungen.
Abgesehen davon verdrängen digitalisierte Produkte jedoch die bisherigen Standards in der Unternehmensfinanzierung. Finanzmittel werden im Ausschreibungsverfahren nachgefragt – Cloud-Dienste und intelligente, eingebettete Systeme beschleunigen Rückkopplung und Entscheidungsfindung. Die Mittelstandsfinanzierung der Banken, über die die meisten Unternehmen in Deutschland bisher finanziert werden, schrumpft. Berater in den Banken werden zunehmend durch Assistenzsysteme ersetzt. Bisher etablierte Vertriebsstrukturen werden durch Direktanbindungen der Unternehmen über Onlineportale korrigiert. Der Kreditnehmer bestimmt nunmehr selbst, welche Sicherheiten oder Assetklassen er dem Finanzierungsmarkt zur Verfügung stellt. Er wählt zwischen den Finanzierungsanbietern innerhalb der Assetklassen nach angebotenem Auszahlungsvolumen, Preis und Handling aus.
Onlineangebote bergen Risiken
Natürlich bringt eine Bindung an starke Makler Vorteile. Onlineanfragen sollten aus Datensicherheitsgründen jedoch wohlüberlegt sein, weil die BaFin-konformen Genehmigungsprozesse vielschichtig sind und der Überblick über die Verwendung von sensiblen Unternehmensdaten nicht verlorengehen darf. Sicherheitenpools und Konsortialverträge verlieren an Bedeutung, weil die Durchfinanzierung von Projekten seitens der Finanzdienstleister für den zugesagten Zeitraum oft unabhängig von weiteren Bedingungen wie sonstigen Covenants erfolgen darf.
Die Lösungen für eine dauerhafte und stabile Finanzierungsstruktur sind daher immer individuell und werden maßgeblich von den bestehenden Finanzierungsstrukturen und den damit verbundenen Verträgen und gegebenen Sicherheiten bestimmt. Die Transformation in die digitalen Finanzierungsformen der Finanzdienstleister wird weiter gekoppelt mit Bankenfinanzierungen, Letztere allerdings unter neuen Vorzeichen zugunsten der Kreditnehmer. Bei der Umsetzung vieler einzelner Maßnahmen kommt es auf die Synchronisation und damit auf gutes und auf Erfahrung basierendes Handwerk an. ◼
Veröffentlicht im Jahrbuch 2018 Digitale Transformation